Vom 04. - 06. Oktober 2013 war der Chefinstrukteur unseres Verbandes WSKF Hitoshi Kasuya (8. Dan) zu Gast in Reutlingen und Schwäbisch Gmünd.
Ein hochkarätiges Training über drei Tage war angesagt. Shihan (Großmeister) Kasuya forderte die Teilnehmer mit vielen anspruchsvollen Übungen und ging sehr detailliert auf Grundlagen des Karate ein.

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Grundsätzlich legt Shihan Kasuya sehr viel Wert auf Disziplin, Konzentration und Etikette  während des Trainings. Er betont, dass damit auch Kindern und Jugendlichen diese Werte sehr gut nahe gebracht werden können.
Shihan Kasuya besteht auch darauf, dass die Schüler sich Gedanken über Karate und die von ihm erklärten Dinge machen. Sie sollen nicht einfach mit „Oss Sensei“ abnicken und nachmachen. Bestehen Unklarheiten sollen die Schüler nachfragen.
Shihan Kasuya regt überdies an über den Tellerrand des Karate hinaus zu schauen, um sich Anregungen aus anderen Bereichen, wie z.B. dem Aikido, zu holen und sie in das Training mit einfließen zu lassen. Aikido beispielsweise verfährt nach dem Grundsatz des „Taisabaki“. Das heißt soviel wie „die Türe öffnen“ und die Energie des Angreifers für die eigene Verteidigung nutzen. Im Karate gibt es eine Vielzahl von Anwendungen, die ebenfalls nach diesem Prinzip verfahren.

Wie im vergangenen Jahr ging Shihan Kasuya wieder auf sehr viele Details ein.
So betonte er, dass beim Erlernen neuer Techniken, Kombinationen oder Katas diese zuerst viele Male langsam geübt – Shihan Kasuya spricht hier von 10.000 Mal – und dann erst im Laufe der Zeit die Geschwindigkeit gesteigert werden soll. So entwickelt sich ein Automatismus. Diese Vorgehensweise hat den Hintergrund, je schneller etwas gemacht wird, der Blick für die Details immer mehr verlorengeht. Das entspricht dem sogenannten Tunnelblick, den man bekommt, je schneller man fährt. Fährt man langsam, kann man auch die Umgebung noch betrachten. Fährt man hingegen sehr schnell, muß die Konzentration voll und ganz auf die Straße gerichtet sein.
Er unterstrich, dass die Bewegungen einfach und effektiv sein sollen. Elemente, die nur reinen Show-Charakter haben, lehnt er ab.

Shihan Kasuya regte auch die Verwendung von Hilfsmitteln zur Erlernung neuer Techniken und Bewegungen an. Beispielsweise kann man sich beim Erlernen des Mawashi geris (Halbkreisfußtritt) an der Sprossenwand festhalten, um sich voll und ganz auf die Bewegung zu konzentrieren, ohne sich mit dem Halten des Gleichgewichtes befassen zu müssen.

Sehr interessant ist auch die Ansicht von Shihan Kasuya in Bezug auf die Ausführung von Techniken: Der Karateka soll immer nur so weit gehen, was der eigene Körper im Hinblick auf Alter und Vita zulässt. Das heißt, man muß nicht jede Technik ausführen können. Beispielsweise ist es keine Schande, wenn ein Mawashi geri (Halbkreisfußtritt) maximal nur bis Kniehöhe anstatt bis Kopfhöhe ausgeführt werden kann, weil es die Hüfte nicht zulässt. Wichtig ist nur zu wissen, wie die Technik ausgeführt werden muß, um sie den Schülern erklären zu können. Den eben angesprochen Mawashi geri zum Kopf darf dann ruhig ein junger und gelenkiger Schüler vormachen !

Bei Shihan Kasuya muß man sich auch daran gewöhnen, komplexe Kombinationen auszuführen ! Sehr beliebt sind bei ihm Drehungen und Wechsel in unterschiedliche Richtungen. Sie regen das Denken und die Flexibilität des Karateka an, was bei einem Wettkampf oder in einer realen Verteidigungssituation sehr von Vorteil ist.

Des weiteren betonte Shihan Kasuya bei Standardtechniken und -Stellungen noch folgende Punkte zu beachten:

  • Grundstellung (Shizen tai): Nur in leichter Spannung und schulterbreit stehen, die Schultern locker lassen.
  • Stellung Zenkutsu dachi: Das Lot des vorderen Knie muß auf Höhe der Zehen in den Boden gehen. Nur so ist das Knie in einer Position, in der eine Bewegung schnell nach vorne gestartet werden kann („ready to move“). Interessant ist auch, dass der Zenkutsu dachi früher fast auf einer Linie gestanden wurde, anstatt wie heute üblich schulterbreit !
  • Armhaltung bei Abwehr: Der Ellenbogen wird an gleicher Stelle gehalten, nur der Unterarm wird bewegt. Dies hat den Effekt, dass Angriffe zum Kopf oder Rumpf schnell geblockt werden können, ohne die Deckung des restlichen Rumpfes aufzugeben.
  • Kata: Verzicht auf Showelemente, zurück zur ursprünglichen Ausführung des Shotokan Begründer Gichin Funakoshi. Jede Kata beginnt mit einer Abwehrbewegung und anschließendem Konter.

Alles in allem war es wieder ein hochinteressantes und anregendes Training bei Shihan Kasuya. Er sagte am Anfang „after the seminar 50% of the students will hate me, the other 50% will be more enthusiastic in Karate“. Das heißt soviel: Nach dem Seminar werden ihn 50% der Teilnehmer hassen und die anderen 50% Karate mit noch mehr Begeisterung fortführen. Man kann sicher sein, das für alle letzteres zutrifft ...

Einiges zum Schmunzeln gab es auch noch. Zwei der vom Dojo teilnehmenden Karateka haben bei Shihan Kasuya einen Spitznahmen bekommen.
Da ist zum einen Daniel, groß und kräftig gebaut, der immer wieder für Schlagdemonstrationen herhalten mußte. Er hat den Namen „Makiwara“ erhalten.
Zum anderen ist da noch Björn, der durch sein häufiges Nach- und Hinterfragen den Namen „Mr. Question“ erhalten hat.